Leichtigkeit des Seins.

„Ein Kind kann einem Erwachsenen immer drei Dinge lehren: grundlos fröhlich zu sein, immer mit irgendetwas beschäftigt zu sein und nachdrücklich das zu fordern, was es will.“ (Paulo Coelho)

Wenn ich die momentane Zeit irgendwie beschreiben soll, dann kann ich, außer dass ich glücklich bin nur sagen, dass alles unglaublich intensiv scheint. Es ist die wohl bisher intensivste Zeit im Babies Home mit den Kids für mich. Nicht nur, weil sie mich aufgemuntert haben, als Tim weg war, sondern, weil mir immer wieder auffällt wie sehr ich an jedem Einzelnen hänge und wie krass die Kleinen mir eine komplett andere Sichtweise auf die Welt und alles, was eben so passiert, geben. Wie eindringlich und lange man sich mit kleinen Dingen, wie einer Plastikverpackung beschäftigen kann, wie kostbar es ist jeden Tag eine warme Mahlzeit auf dem Tisch stehen zu haben, die einfach nur sättigt und einem genug Energie für den Tag gibt und wie groß die Freude somit über einen halben Butterkeks sein kann.

Ja, manchmal setze ich mich im Babies Home einfach hin und beobachte fasziniert, wie unbeschwert die Kids sind. Irgendwie denke ich bei ihrem Anblick aber niemals „Wow, wie naiv sie noch sind und wie wenig sie vom Ernst des Lebens wissen“, sondern „Hey, wie gern würd ich öfter mal ihre Gedanken und ihre Sicht auf die Dinge haben“, allerdings habe ich das Gefühl, dass sie mir diese Gelassenheit schon etwas angelernt haben und ich hoffe doch mal stark, dass noch was davon übrig ist, wenn meine Füße wieder deutschen, hektischen Boden betreten.

Während ich eine Zeit lang alles als normal ansah, was hier so auf den Straßen abgeht und wie es hier aussieht habe ich im Moment das Gefühl noch mal alles bestaunen zu können, wie in meinen ersten Wochen in Uganda. Das mag vielleicht daran liegen, dass ich bereits Kontakt zu meiner Nachfolgerin habe, was bei mir natürlich alle Alarmglocken läuten lässt und ich mir jeden Tag bewusst mache, wie schnell die Zeit rennt und ich alles, was ich sehe in vier Monaten nicht mehr haben werde und somit aufsaugen muss wie ein Schwamm.

Kurz gesagt: ICH HAB PANIK! ICH WILL NICHT WEG! Egal wie sehr mich die Boda-Fahrer nerven mit ihrem ununterbrochenen Rufen, wie

„He, Muzungu!!“

„I take you?“

„We go?“ – „Where to?“

„Hey, you are my size!“

„Hey sweetie, i love you!“

„I want to marry you!“

„Sweetheart, you are beautiful!“

und egal wie oft ich einfach keine Lust habe auf dem Weg zur Arbeit dreißig Leuten zu antworten, wie es mir geht, wenn sie fragen „How are you? How is life? How is it?“. Aber ich denk doch schon ziemlich oft daran, wie still es sein wird, wenn ich in Deutschland durch die Straßen gehe. Auch wenn das „How are you?“ hier nicht wirklich eine Frage danach ist, wie es dir geht, ist es doch eine Begrüßung, die man unzählige Male am Tag verwendet und die für mich eigentlich nur Offenheit für Gespräche und Interesse am Rest der Menschen zeigt. Egal, wie genervt ich manchmal auch sein mag, ich weiß, dass ich dieses wenn auch oberflächliche Kommunizieren mit den verschiedensten Menschen eigentlich ziemlich hoch schätze und vermissen werde. Ebenso wie die Selbstverständlichkeit, jeden Tag Einkäufe auf dem Markt zu erledigen, wo ich mir mein Gemüse nicht in Plastikverpackungen kaufe, sondern mir Tomaten und Karotten sogar noch selber aussuchen kann und weiß, dass sie gestern erst aus der Erde gezupft wurden!

Es ist für mich auch immer wieder ein bombastischer Anblick, die Kuhherden mit ihren gigantischen Hörnern zu sehen, wenn ich auf dem Nachhauseweg bin und manchmal ehrlich gesagt ziemlich Respekt habe, wenn 30 wunderschöne Kühe mit meterlangen Hörnern auf mich zukommen. Ich freue mich jeden Tag, wenn ich hier die vielen Ziegen sehe, die frei durch die Gegend laufen, allerdings kann ich ihr Meckern manchmal immer noch nicht von dem Schreien eines kleinen Kindes unterscheiden, wodurch ich oft der fälschlichen Annahme unterliege, irgendwo wird ein kleines Kind geschlachtet.

Mir fällt auch immer wieder auf, wie gern ich es mag, auf nicht-asphaltierten Straßen zu laufen, egal über wie viele Schlaglöcher ich stolper und wie viel Dreck mir an trockenen Tagen wegen entgegenkommenden LKW’s ins Gesicht fliegt.

Naja, aber jetzt mal Schluss mit dem sentimentalen Teil. Eigentlich will ich damit nur meine aktuelle Gefühlswelt verdeutlichen und zwar, dass es hier wunderschön ist und unmöglich schon 8 Monate vergangen sein können?!

 

Was ich die letzte Zeit so gemacht habe… Nun ja, wir waren im Babies Home. Mehr fällt mir momentan nicht ein, außer, dass wir unsere Wochenenden nachwievor gerne an den Seen verbringen : )

Aber eigentlich hängen wir momentan von morgens bis abends bei den Kids und genießen die Zeit. Anfang des Monats haben wir Spiegelfolien in jedem Haus aufgehängt, da die Kids sich nie im Spiegel sehen und wir dachten, es wäre ja mal ganz sinnvoll für sie zu wissen, wie sie aussehen. Die Folien waren nicht wie erwartet „normale Spiegel“, sondern man sieht sich vollkommen verzerrt darin und was freut die Kleinen natürlich noch mehr als sich selber zu sehen? – Ein vollkommen bescheuerter Anblick, wenn man an dieses Stück Folie an der Wand guckt. Stundenlang standen sie vor dem Spiegel und haben sich gekringelt vor Lachen. Nach zwei Tagen waren 90 Prozent der Spiegel bereits mit Milchbrei beschmiert, zerkratzt und angesabbert und es wird vermutlich nicht mehr allzu lange dauern, bis die ersten Spiegel nicht mehr hängen, aber es hat sich gelohnt!

Ein anderes Highlight war, als wir das erste Mal eine Slackline im Babies Home aufspannten. Schon der Versuch das Ding aufzubauen brachte einige Schwierigkeiten mit sich, wie man auf den Fotos unschwer erkennt, da alle Kinder tatkräftig mithelfen wollten. Allerdings war die Tatsache so eine Leine im Babies-Home-Garten aufgehängt zu haben für alle das reinste Fest. Das Schöne war, dass sogar die Mütter versuchten auf der Slackline zu laufen oder lachend zusahen. Nach kurzer Zeit wurde die Leine allerdings für unzählige andere Zwecke umfunktioniert unter Anderem diente sie als Trampolin. Das war ziemlich cool, weil wir so auch John, der eigentlich ja nicht laufen kann, auf die Leine setzten und er hoch und runter wippte, während die anderen Kids riefen „Johnny up, Johnny down!“ – Es war echt ziemlich beeindruckend, wie umsichtig und hilfsbereit die Kinder miteinander umgehen, vor allem, wenn ein behindertes Kind mitspielt.

Ja, momentan scheinen irgendwie nicht nur wir, sondern auch die Kids ziemlich motiviert zu sein.

Mittlerweile verläuft es sogar immer friedlicher, wenn Lisa und ich ihnen Stifte und Papier in die Hand drücken! Zugegebenermaßen versuchen sie immer mal wieder sich gegenseitig mit den Stiften aufzuspießen oder Wände zu bemalen, aber größtenteils bringen sie doch Farbe auf die Blätter!

Wenn ich also in einer Woche meinen 20sten Geburtstag antrete wird’s mir glaube ich eine ziemlich große Ehre sein, dass mit allen lieben Menschen des Babies Homes und natürlich mit Lisa zu tun! =) (auch wenn ich etwas wehmütig an die vergangenen Jahre mit euch und an die Torten von Mama denken muss ;) - an dieser Stelle: Hallo Mama! =))

 

Hier noch ein kleiner Aufruf zum Schluss, der mir echt sehr doll am Herzen liegt. Wie ich bereits schon mal in meinen Blog geschrieben habe wurden die Spenden, durch die das Babies Home lebt um DIE HÄLFTE gekürzt. Das ist nachwievor ein riesiges Problem und wir freuen uns über jede noch so kleine Spende. Außerdem haben einige unserer Kids bereits einen eigenen Sponsoren, also Jemanden aus einem anderen Land, welcher die Kosten für eine Schulausbildung, ärztliche Behandlung etc. trägt, im Gegenzug erhält er Berichterstattung und Fotos von dem Kind. Wenn ihr also gerne solch eine Patenschaft für eins (ooooder mehrere) unserer Kids übernehmen möchtet oder Jemanden kennt, der rein zufällig zu viel Geld hat, dann schreibt mir bitte eine Mail oder kontaktiert mich sonst wie. Die Kids hier sind wirklich Klasse und das Babies Home ist unterstützenswert!

P.S.: Die Strecken, die Dongo täglich zurücklegt werden immer länger – nächsten Monat läuft er garantiert ohne meine Hilfe! : )

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Kommentare: 8
  • #1

    Tim (Sonntag, 21 April 2013 12:21)

    Theresa, das ist der tollste Bericht, den ich je von dir gelesen habe. Er ist so bombastisch lang und trotzdem voll fesselnd. Du kannst dieses Gefühl der Sorgenlosigkeit und des Lebens so gut rüberbringen. Küss die kleinen von mir. :-*

  • #2

    Lui (Sonntag, 21 April 2013 13:54)

    Dem kann ich nur beipflichten :)
    Du kannst deine Gefühle voll gut ausdrücken
    und man merkt jedes mal wie begeistert du bist :)
    küsschen :*

  • #3

    Moni (Sonntag, 21 April 2013 18:56)

    Hallo Theresa,
    wie Tim und Luisa schon sagen....., und schöne Bilder!
    Übrigens... denk nicht immer dran, was du irgendwann nicht mehr hast - du hast es JETZT und das Wesentliche bleibt eh für immer (ich weiß,alte Tante Klugscheißer).
    Und außerdem - wir sind hier eigentlich auch ganz nett! :-) Ich drück dich!

  • #4

    Schlöpse (Sonntag, 21 April 2013 19:06)

    Ich kann mich den vorigen Kommentaren nur anschließen!
    Genieß einfach die Zeit noch in vollen Zügen und pass nach wie vor gut auf Dich auf!
    Liebe Grüße aus dem kalten Eckenhagen, von den Schlöpsen!

  • #5

    Nina Körfer (Sonntag, 21 April 2013 21:10)

    Liebe Theresa!
    Du bist der Knaller! Ich freu mich so für dich, dass du das da auch alles erleben kannst! Wenn ich deine Fotos sehe oder die Sachen lese fühl ich mich wieder als wär ich in Ghana. Genieß die Zeit dort und mach ganz viele Videos von deinen Kleinen...das hilft dir voll wenn du wieder hier bist dich wieder in ihre Welt zu finden....=) machs gut Thereschen

  • #6

    Mama (Sonntag, 21 April 2013 22:08)

    Meine liebe Theresa
    Was soll ich zu so einem Bericht sagen? Wie unglaublich du deine Gefühle und Eindrücke zum Ausdruck bringen kannst! So wie du schreibst sieht man alles so vor Augen, als wenn man seler da wäre. Der erste Teil deines Berichtes hat mich sehr berührt.
    Aber versuch auch die restliche Zeit noch zu genießen und denk nicht immer daran was du zu hause vermissen wirst. Die Erinnerung an deine Zeit wird dir keiner nehmen können und auch die Kids haben ein Jahr lang dich mit deiner Hilfe erfahren können, das ist sehr viel:)
    Die Fröhlichkeit der Kinder auf den Bildern ist richtig ansteckend :) Das Bild mit dem Schmetterling finde ich auch total schön.
    Was deinen Geburtstag betrifft: die Torte essen wir, nur ohne dich:=) Aber wenn du wieder da bist back ich dir ne Extratorte!
    Theresa, du solltest wirklich ein Buch schreiben:)

  • #7

    moni (Sonntag, 28 April 2013 11:25)

    Hallo Theresa,
    sitze gerade hier mit Oma am Schreibtisch und wir haben deinen Bericht nochmal angesehen. Sie ist seit gestern hier und fährt heute nachmittag wieder. Viele, viele Grüße von ihr, und natürlich auch von uns!!!:-)

  • #8

    Oma (Sonntag, 12 Mai 2013 21:54)

    Hallo liebe Theresa!
    Mein Gott- dein Bericht.
    "Klasse"
    Wann kommt der Nächste?
    Es ist so spannend zu lesen was du schreibst.
    Du solltest mit deiner Berufswahl umdenken und Schriftstellerin werden.
    Auf die Idee mit er Folie kannst auch nur du kommen.
    Ich bin so beruhigt dass es dir so gut geht
    Bleib gesund!
    Küssi Oma